Eine spanische Synagoge im maurischen Stil, eine orthodoxe Kirche und eine gotische Kathedrale. Sinnbildlich markieren diese drei Gotteshäuser den Standort der tschechischen Hauptstadt Prag. Sie liegt mitten in Europa, ein Amalgam zwischen Ost und West, Nord und Süd. Seit dem Mittelalter begegnen sich hier Kulturen, hier treffen Religionen und Sprachgruppen aufeinander, arrangierten und bekämpften sich.

Dass Prag eines der bedeutendsten kulturellen Zentren Europas ist, erfuhren die Schülerinnen und Schüler der MSS13 während einer fünftägigen Studienfahrt, die von den Lehrern Dr. Tobias Kies und Carsten Müller organisiert und im September 2023 begleitet wurde. Besichtigt wurden unter anderem die Altstadt, die Prager Burg und das jüdische Viertel mit den Synagogen und dem alten Friedhof. Ein weiteres Highlight stellte der Besuch der Mozart-Oper „Don Giovanni“ am Ort ihrer Uraufführung im Ständetheater neben der alten Karlsuniversität dar.

Die eindrücklichste Erfahrung war sicherlich das paradox anmutende Nebeneinander von kultureller Blüte und Vernichtung. Die Besichtigung des Konzentrationslagers Theresienstadt und des im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme durch die deutsche Besatzungsmacht völlig ausgelöschten böhmischen Dorfes Lidice führte bedrückend vor Augen, wie dünn der Firnis menschlicher Zivilisation ist. In Lidice wurden 1942 nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich, den „stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren“, nahezu alle männlichen Einwohner erschossen. Die Kinder wurden ihren Müttern entrissen und vergast. 195 Frauen wurden in das KZ Ravensbrück deportiert. Bewegend war der Bericht der Schwiegertochter einer dieser Frauen über deren Bemühungen nach 1948 wieder „Normalität“ in den Lebensalltag zu bringen. Sie wies auf die Bedeutung des Besuches des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck hin, der dazu beitrug, die Erinnerung an die Opfer des Verbrechens wach zu halten, um eine Wiederholung von Krieg und Terror zu verhindern.

Dass Krieg, Terror und Imperialismus nicht nur die Vergangenheit, sondern ebenso sehr die Gegenwart Europas prägen, wurde am letzten Tag der Exkursion deutlich. Der russische Angriff auf die Ukraine, der Terror gegenüber der Zivilbevölkerung und die Kämpfe an der Front hinterlassen auch in Tschechien deutliche Spuren. So beherbergt das Land, gemessen an der eigenen Bevölkerungsgröße, die meisten Ukraine-Flüchtlinge. Wie präsent die Angst vor Verlust der eigenen Freiheit und des Friedens ist, wurde im Zuge der Besichtigung eines Atombunkers aus der Zeit des Kalten Krieges deutlich. Nachdrücklich wurde den Besuchern aus Lahnstein durch einen engagierten Führer vermittelt, dass Freiheit beharrlich verteidigt werden muss und der Frieden des Schutzes bedarf. Manch einem mag hier die Figur des Prager Golem in den Sinn gekommen sein: Einer Legende zufolge soll der aus Worms stammende Rabbiner Judah Löw den Golem erschaffen haben, um die jüdische Gemeinde der Stadt vor Verfolgungen zu beschützen.

Dass die Barbarei der Nationalsozialisten, der Kommunisten oder der aktuellen russischen Politik nicht das Gemüt der Schülerinnen und Schüler überlagerte, ist letztlich dem Zauber der Stadt Prag zu verdanken. Die Schönheit und Anmut der Stadt und ihre kulturelle Vielfalt im Herzen Europas – sie sind ein Versprechen auf eine glückliche Zukunft in einer friedlichen Welt. Sicherlich haben alle TeilnehmerInnen der Studienfahrt die Stadt mit dem gleichen Gefühl verlassen: In das Leben dieser Stadt möchte ich gerne wieder eintauchen.