Angeregt durch Claudia Stein, Fachlehrerin für Geschichte und Sozialkunde, bot sich Mitte Juni den Schülerinnen und Schülern der Stufen 10 und 11 die Gelegenheit, mit der in jüngster Zeit durch die Medien und in den sozialen Netzwerken bekannt gewordenen Millionenerbin in spe Marlene Engelhorn ganz real ins Gespräch zu kommen.

Als momentan wohl prominentestes Gesicht der Initiative „Taxmenow“ setzt sich Engelhorn für eine Steuerpolitik ein, die Hochvermögende so versteuert, dass eine gesellschaftliche Umverteilung der Vermögenswerte zumindest europaweit stattfindet. Die Urururenkelin von Friedrich Engelhorn, der 1865 die Badische Anilin- und Sodafabrik gründete, ist inzwischen 30 Jahre alt, Studentin der Germanistik und gebürtige Wienerin. Sie rechnet mit dem Erbe eines zweistelligen Millionenbetrags, der aus dem Verkauf der Firmenanteile ihrer Familie an der Boehringer-Mannheim-Gruppe an den Konzern Hoffmann-La-Roche, resultiert, zwei der bekanntesten Pharma-Unternehmen weltweit. Der 1997 getätigte Transfer wird auf round about 2,45 Milliarden Dollar beziffert.

So weit, so gut. Eigentlich. Nicht jedoch, wenn es nach Engelhorn geht, zumal das österreichische Steuerrecht im Gegensatz zu Deutschland keine Erbschaftssteuer – und im Übrigen auch keine Vermögenssteuer kennt. Aber selbst in Deutschland seien nicht alle reich. Die Hälfte der Bevölkerung besäße lediglich drei Prozent des Vermögens, dagegen das reichste Prozent mehr als ein Drittel desselben. Durch Arbeit sei noch niemand reich geworden, eine faire Steuerpolitik sei die Grundlage jedweder Demokratie, so Engelhorn. In den sogenannten Überreichen sei die politische Macht und ein strukturbedingter Lobbyismus verortet. Folglich gelte es neue finanzpolitische Strukturen zu schaffen. Sie wolle 90 Prozent ihres Erbes versteuert wissen, Spenden und Stiftungsgründungen führten nur zu weiteren Einflussnahmen der Gesellschaft durch Privatpersonen.

Drei Schulstunden lang ging es also am 13. Juni 2022 um antikapitalistische Überlegungen, zunächst im direkten Interview mit der Gästin, durch das auf dem Podium drei Schüler:innen des Leistungskurses Sozialkunde, Luka Klima, Alisha Mereu und Wjatscheslaw Kosian, führten, bevor die Diskussion für die übrigen Teilnehmer:innen geöffnet wurde.

Die Schüler:innen staunten nicht schlecht in Anbetracht so mancher von Engelhorn getroffenen Spitzenaussage: „Vermögensungleichheit, wie sie heute existiert untergräbt die Demokratie und schadet der Gesellschaft.“ Geld regiere die Welt (nicht der Staat) und Geld sei in der Welt, um sie zu retten (Klimakrise), vorhanden. Nur nütze dieses Geld nichts in den Händen von Privatpersonen, sondern gehöre strukturell in ein anderes System, das durch eine gesellschaftliche Solidarisierung überzeuge.

Auch wenn Marlene Engelhorn keine Einzelakteurin unter den Hochwohlhabenden im Einsatz um eine sozialere Verteilung finanzieller Ressourcen ist, die junge Hörerschaft bewahrte sich ihre Skepsis. Kritischen Einwänden zu ihrer Vision hielt Engelhorn mit Langmut stand. Bei den jungen Erwachsenen punktete die bekennende Kaffee-Liebhaberin und Vielleserin nicht zuletzt durch ihre Freimütigkeit und Offenheit, die den Duktus ihrer Rede kennzeichneten. Sichtlich beeindruckt war man ob des persönlichen Engagements Engelhorns, welches durchaus nachdenklich bezüglich der Frage stimmte, wie unsere Gesellschaft meint, sich weiterhin im 21. Jahrhundert organisieren zu wollen. Der Austausch mündete in einem anerkennenden Applaus für Marlene Engelhorn. Die Sympathiebekundung galt einem Menschen, dessen geistiger Input, fußend auf der Forderung nach einem freiwilligen Verzicht auf Macht, für die Schüler:innen höchst ungewöhnlich anmutete.

Gleichwohl, die Behauptung – „Reichen Menschen hört man zu“ (Engelhorn) – dürfte sich betätigt haben.