2018

 

 

„Das andere Leben“ des Solly Ganor. Ein Demokratietag am Marion-Dönhoff-Gymnasium

Der 100te Jahrestag der Revolution und der 80te Jahrestag der Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung bildeten den Anlass für einen Demokratietag am Marion-Dönhoff-Gymnasium in Lahnstein. Alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 9 waren zu einer Veranstaltung eingeladen, in deren Zentrum die Erlebnisse des Jungen Solly Ganor standen. Der litauische Jude Ganor war erst 13 Jahre alt, als deutsche Truppen 1941 in seinen Heimatort einfielen. Er wurde mit seiner Familie ins Ghetto getrieben und lernte zu überleben. Nach der Auflösung des Ghettos wurde er zuerst in das KZ Stutthof (bei Danzig) und schließlich in ein Außenlager des KZ Dachau deportiert. Das Grauen der Selektion und der „Vernichtung durch Arbeit“ erlebte Solly unmittelbar ehe er während eines Todesmarschs durch amerikanische GIs befreit wurde.

Die mit der Aufführung verbundene Demokratiekampagne stand unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und wurde in Lahstein durch die Volksbank und die Nassauische Sparkasse finanziell gefördert.

Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch allgemeine Bemerkungen des Lehrers Dr. Tobias Kies, der auf die Bedeutung des 9. Novembers 1918 hinwies, der einerseits das Ende des Ersten Weltkriegs markiere und für die Abkehr von Kaiserreich, Militarismus und Nationalismus und für den Siegeszug der Demokratie stehe. Zugleich trage dieser Tag den Keim einer schrecklichen Entwicklung zu einer Barbarei in sich, die in den Gaskammern von Auschwitz ihren Höhepunkt gefunden habe. Besondere Bedeutung maß Kies den Novemberpogromen des Jahres 1938 bei, die von den Nationalsozialisten beschönigend als „Reichskristallnacht“ bezeichnet wurden.

Der Einführung schloss sich eine Lesung der Autobiographie des Solly Ganor durch den Schauspieler Thomas Darchinger an, die musikalisch durch den Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid begleitet wurde. Darchinger, der auch Erfahrung als Synchronsprecher verfügt, brachte sein gesamtes stimmliches Repertoire zum Einsatz, wobei er permanent modulierte: Er las langsam oder schnell, flüsterte und schrie, erzählte monoton oder stieß den Text des Buches stakkatohaft aus – je nach der gerade beschriebenen Situation. Lackerschmid begleitete die Lesung musikalisch mit einem Vibraphon, wobei seine klangliche Untermalung des Gelesenen frei improvisiert wurde. Auch hier wurden Stimmungen durch Lautstärke oder Tempi erzeugt. Aber noch viel mehr durch die angestimmten Melodien. So untermalte er die Wehmut der im Ghetto zusammengepferchten Juden mit Tonfolgen, die an jiddischen Klezmer erinnerten. Den Moment der Rettung des jungen Solly unterlegte er mit Rhythmen und Melodien im Big-Band-Stil, wie sie für die USA der 1940er Jahre typisch waren.

Die Schülerinnen und Schüler lernten „das andere Leben“ des Solly Ganor exemplarisch kennen. Und die meisten von ihnen blicken keineswegs erschüttert oder traurig auf die Veranstaltung zurück, sondern im Bewusstsein dafür, dass es sich lohnt, für die Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie in Deutschland zu streiten.

 

 

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