Europatag 2019

 

 

 

EUROPA-PROJEKTTAG 2019

Europas Zukunft – Die EU in der Demokratiekrise

Autorenlesung und Diskussion mit Franziska Schreiber: Inside AfD – Der Bericht einer Aussteigerin. Außerdem: Wünsche für Europas Zukunft

2019 ist das Jahr der Europawahl, Europatag ist jedes Jahr der 9. Mai. Ihren schulinternen Europatag beging die Schule abiturbedingt bereits am 7. Mai, Teilnehmer waren die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 11. Diese hatten sich eine Veranstaltung zu Europas Zukunft gewünscht, zu viele Erfolge feierten Parteien von links und rechts, Populisten und Europaskeptiker, augenscheinlich stecke die Europäische Union in einer Demokratiekrise. So ergab sich die Idee, Franziska Schreiber, Autorin des Aussteigerberichts „Inside AfD“, anzufragen, und einen Förderantrag bei der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz zur Bezuschussung eines solchen Projekts einzureichen. Erfolgreich. Schreiber, die beim Europa Verlag unter Vertrag steht, folgte der Einladung und gab den Schülerinnen und Schülern einen ehrlichen Einblick in ihre persönliche Vita vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte ihres Bestsellers.

„Europa ist ein Gemeinschaftsprodukt wie der heutige Europatag ein Gemeinschaftsprojekt zahlreicher Europa-Freunde dieser Schule ist“, so eröffnete Ina Dammann, stellvertretende Schulleiterin, die Veranstaltung. Im Anschluss an Begrüßung und Dank an alle Mitwirkenden hob Dammann in ihrer Ansprache besonders Verpflichtung und Anspruch des Marion-Dönhoff-Gymnasiums als Europaschule Rheinland-Pfalz sowie als Botschafterschule für das Europäische Parlament hervor. Mit Blick auf die Europawahl am 26. Mai in Deutschland wolle man heute gemeinsam „Flagge zeigen für Europa“, Schülerschaft, Kollegium und Gäste sollten sich in der Diskussion mit Franziska Schreiber und an der Aktion „Mein Wunsch für Europa“ rege beteiligen. In der Frage nach Europas Zukunft stecke die Frage: „Welche Europäische Union wollen wir haben, welche nicht, welche dürfen wir erwarten?“

Sodann startete Carsten Müller als Vertreter des Fachbereichs Sozialkunde einen demokratischen „Weckruf“ an die Hörer, in dem er die Populisten ins Visier nahm.  Jüngsten Medienberichten zufolge sei Mohammed 2018 der beliebteste Jungenname in Berlin gewesen. Dabei führte Müller anschaulich vor, wie dieser statistische Taschenspielertrick zustande gekommen war. Ziel der Populisten sei es stets, rhetorische Gegensätze zu konstruieren, auf Basis ihrer speziellen Lesart von Zahlen zu dramatisieren und Emotionen zu wecken „zwischen uns und den anderen, den Deutschen und den Ausländern, den Europäern und den Flüchtlingen“. Der beliebteste Jungenname in Berlin war Luka gewesen. Weiterführend verwies Müller das Publikum auf die – wenn auch langwierigen – „Selbstheilungskräfte von Demokratien“ und rief die Schülerschaft dazu auf, die demokratischen Parteien in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Juniorbotschafter Jan Bönisch oblag es anschließend den Gast des Tages – Franziska Schreiber – vorzustellen. Die gebürtige Dresdnerin aus linkspolitischem Elternhaus, Jahrgang 1990, Abitur 2008, dürfe auf einen rasanten Aufstieg in der AfD zurückblicken, welcher in ihrer Stellung als Stellvertreterin der Jungen Alternative in Sachsen mündete, letztlich aber doch in ihrem Austritt aus der Partei im September 2017. Nach einem Praktikum im EU-Parlament arbeite Schreiber, Absolventin eines Fernstudium der Politikwissenschaft, als Abteilungsleiterin eines mittelständischen Unternehmens heute wieder in Dresden, etabliere sich als kritisch politische Autorin und betreibe daneben seit 2019 einen YouTube-Kanal im „funk“-Netz von ARD und ZDF.

Nach dieser Einführung in den Tag war für Franziska Schreiber und ihren Bericht die Bühne schließlich frei, sehr schnell rückte die Autorin ins Zentrum des Geschehens. Schreiber las aus einem mittleren Kapitel und aus dem letzten Teil ihres Buches vor, in welchen sie die medialen Mittel der AfD, sprich ihre ambitionierte Nutzung der sozialen Netzwerke, erklärte. Nachdrücklich warnte Schreiber vor den Internetauftritten der AfD mit ihren redegewandten Gaukeleien und falschen Versprechen. Insbesondere wies Schreiber in diesem Zusammenhang hin auf die nicht zu leugnende Ähnlichkeit in Reden des AfD-Politikers Björn Höcke (Gründer des rechtsradikalen Flügels der Partei 2014) durch Übernahme nationalsozialistischen Sprach- und Gedankenguts mit Reden von Joseph Goebells (Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda in Nazi-Deutschland). Ihre Zugehörigkeit zur AfD verglich Schreiber mit dem Aufenthalt in einer Sekte. Man schwebe in einer Filterblase, kreiert aus Propaganda und gezielt angewandtem Vokabular, man erkenne die Realität nicht mehr. Um aus dieser Blase herauszukommen, müsse man sie zerstechen, wie sie es im September 2017 in Form ihres plötzlichen Austrittes aus der AfD getan habe.

Moderiert wurde die knapp einstündige Podiumsdiskussion von vier Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangsstufen 10 (Leonie Böhm) und 11 (Lion Krejsa, Diana Kutschinski, Irmina Schumann), die zunächst mit einem Dutzend Fragen an Franziska Schreiber aufwarteten, bevor sie ihr Interview für das Publikum öffneten. So wollten sie unter anderem von Schreiber wissen, was der Grund für ihren Eintritt in die AfD und später für ihren Austritt aus dieser Partei gewesen sei und wie ihre Familie darauf jeweils reagiert habe, warum Schreibers Meinung nach die AfD so erfolgreich in den östlichen Bundesländern sei und wie mit den zunehmend rechtsradikalen Kräften der Partei umzugehen sei, wie Schreiber die Chancen der AfD bei der Europawahl einschätze. Die AfD sei eine Partei für Außenseiter, schnell könne man in ihr als Frau Karriere machen, ihre erste Zeit innerhalb der Jungen Alternative habe sie genossen, nach ihrem Austritt habe sie sich wie befreit gefühlt, in den ersten Monaten, dagegen vor allem nach Erscheinen ihre Buches in Angst vor Repressionen gelebt, so Schreiber. Angesichts der nationalen Strebungen in zahlreichen Ländern Europas prognostizierte Schreiber der AfD bei der Europawahl gute Aussichten auf Erfolg bei ihrer Wählerklientel, mit dem Gewinn von in etwa zehn Sitzen im Europäischen Parlament sei zu rechnen. Das Publikum verfolgte das Gespräch auf dem Podium mit hoher Aufmerksamkeit, um sich im Anschluss daran unverblümt in die Diskussion einzuschalten. Ob sich Schreiber ihrer Vergangenheit schäme, ob ihr Bestseller nicht Werbung für die AfD in anderem Gewand sei und welche Meinung sie denn zu dem Spendenskandal habe, bei denen es sich doch wohl um dubiose Mittel für den Wahlkampf handele. Schreiber sprach sich in ihren Antworten grundsätzlich für einen gleichermaßen respektvollen wie energischen Dialog mit der Partei aus, ihren Mitgliedern und deren Sympathisanten, es gelte, ihnen die Filterblase, in der sie agierten, nebst der Gefahren, die von der AfD ausgingen, kritisch aufzuzeigen und den sachlichen Dialog zu suchen: Definitiv sei die AfD auf demokratischer Ebene für Deutschland keine Alternative mehr.

Gemeinsam mit Franziska Schreiber wurde abschließend im letzten Teil der Veranstaltung die Aktion „Mein Wunsch für Europa“ gestartet“. Jeder der Anwesenden erhielt dafür einen der 120 Europa-Sterne, die die Europa-AG aus gelber Pappe vorgefertigt hatte, und notierte auf diesem seinen ganz persönlichen Wunsch für Europas Zukunft und die Zukunft der Europäische Union: Erhalt des Friedens, Verstärkung des Umweltschutzes, Stärkung gemeinsamer Werte, Sicherheit und Terrorismusbekämpfung, vergleichbare Schulabschlüsse, Toleranz, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Abbau der Bürokratie, und und und. Die Sterne wurden auf eine dreimal zwei Meter große blaue Stoffplane geheftet, die zuvor lediglich als Hintergrund des Bühnenbildes aufgefallen waren. Vor dieser Flagge, gespickt mit den Europa-Wünschen der jungen Zuhörerschaft, ihrer Lehrerinnen und Lehrer und Gäste, entstanden zum Schluss zahlreiche Fotos zur Erinnerung an diesen sehr besonderen Europa-Projekttag am Marion-Dönhoff-Gymnasium, 2019 im Jahr der Europawahl.

Jan Bönisch und Bastian Hümmerich, Jahrgangsstufe 11

Die Frage, ob nun der Europa-Projekttag dazu beitrug, dass die AfD bei der drei Wochen später folgenden Juniorwahl am Marion-Dönhoff-Gymnasium nur 3% der abgegebenen Stimmen erhielt, lässt sich wohl kaum mit einem eindeutigen Nein beantworten. Dass der Europa-Projekttag nicht unbedingt politisch neutral gehalten worden war, dürfte dem kritischen Betrachter klar sein. Doch wie sagte bereits Franziska Schreiber zu Beginn ihrer Buchvorstellung selbst: „Es ist nicht die Zeit für Neutralität in Anbetracht der Alternative für Deutschland, ihrer Methoden und ihrer gelebten Fremdenfeindlichkeit“.