Hadamar. Eine Stadt, kleiner als Lahnstein, idyllisch am Südrand des Westerwalds gelegen, irgendwo zwischen Köln und Frankfurt, in Nähe zur benachbarteKreisstadt Limburg an der Lahn. Der flüchtige Besucher vermutet kaum, dass sich dort vor rund acht Jahrzehnten, genau genommen zwischen Januar 1941 und März 1945, eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nazi-Deutschland vollzog: die Ermordung annähernd 15.000 geistig, seelisch und körperlich Erkrankter durch Hungerkost, Medikamente und vor allem Gas.

Hitlers „Euthanasie“-Erlass, rückdatiert auf den 1. September 1939, den Kriegsbeginn des Zweiten Weltkriegs, wurde unter dem Vorzeichen der Rassenhygiene zum Todesurteil für hunderttausende psychisch Kranker und Behinderter, so auch in der oberhalb des Städtchens gelegenen Landesheilanstalt Hadamar, die als eine von sechs Tötungsanstalten, in welche Patienten direkt oder über Zwischenanstalten verbracht wurden, in die Geschichtsbücher Eingang gefunden hat.

Mönchsberg 8 ist heute die Adresse des Klinikbetriebs Vitos Weil-Lahn für Menschen mit neurologischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen und die Adresse der Gedenkstätte Hadamar. Letztere besuchten Mitte Juni die Schüler:innen der Jahrgangsstufe 10, die sich zuvor in den Fächern Religion oder Ethik sehr ausführlich mittels historischer Dokumente und Zeitzeugenberichte mit den Krankenmorden im „Dritten Reich“ befasst hatten. Im Fokus des evangelischen Religionsunterrichts stand dabei ein Stolperstein-Projekt, in dem der Werdegang bestimmter Lahnsteiner Mitbürger:innen bis zu ihrer Endstation in Hadamar recherchiert worden war.

Die Rundführung vor Ort stieß somit auf ein informiertes Publikum, das in der speziell eingerichteten fensterlosen Garage auf dem Hof der Anstalt sofort das Parkhaus für die berühmt-berüchtigten Gekrat-Busse erkannte, von wo die aussteigenden Patientinnen und Patienten im Anschluss an eine kurze ärztliche Begutachtung direkt der Gaskammer überstellt wurden.

Die im Keller als Duschraum getarnte Vernichtungskammer neben Seziertisch und Kremationsofen ließ keine Besucherin, keinen Besucher unberührt, schwer wog die Vorstellung, sich unmittelbar auf dem Boden zu befinden, wo das Morden sich vollzogen hatte. Dokumentationszentrum und Anstaltsfriedhof als Stätten der Erinnerung gegen das Vergessen wurden zum Lernort, der vergessen ließ, dass die Fahrt nach Hadamar lediglich ein Baustein aus dem Fahrtenkonzept der Schule ist.